„It’s my calling“ – Entwicklungshilfe in Uganda

Da sitzt sie nun vor mir, bunt, schillernd, enthusiastisch, total motiviert und entwaffnend ehrlich. Lange habe ich mich auf den Termin mit Anne Grothe gefreut, damit sie mir von ihrem einzigartigen Engagement im Detail erzählen kann. Und das tut sie. Mit ihrer überzeugenden Art schafft sie es, wie bereits auch bei den Zuschauern der "Aus der Nachbarschaft"-Talkrunde im Mai 2018, dass man am liebsten sofort die Koffer packen, den Flug nach Uganda buchen und in ihrem interessanten und gut strukturierten Projekt mitarbeiten will. 

 

Sehnsucht nach Afrika

Aber nun von vorne. Die Paderbornerin Anne Grothe wollte schon immer Entwicklungshelferin werden und auf den afrikanischen Kontinent reisen. „Diese Sehnsucht hat mich einfach nicht losgelassen“, erzählt sie. Zunächst hat sie in Deutschland im gesundheitlichen und später im sozialen Bereich gearbeitet, ihre Kinder großgezogen, ihr Eheleben genossen.

 

Dann mit 40 Jahren hat sie zum ersten Mal Uganda besucht und im Zuge ihres Studiums an einer Montessori-Schule vor Ort gearbeitet, bei der sie zuletzt auch die Schulleitung übernommen hat. Ihr war schnell klar, dass sie in diesem Land helfen und etwas erreichen konnte und wollte.

 

Als die Montessori-Schule verkauft wurde, da die südafrikanische Gründerin wieder zurück in ihr Heimatland ging, fasste Anne Grothe den Entschluss, sich selbstständig zu machen. „Es gab kein Zurück mehr. Ich wollte in Uganda etwas verbessern.

 

Meine Kinder in Deutschland waren schon groß und ich musste unbedingt etwas Neues ausprobieren“, erklärt sie. Auch ihr Mann war unterstützend an ihrer Seite.

 

„Ich hatte und habe das Glück, dass sowohl mein Mann als auch meine Kinder sofort mit im Boot und sehr stolz auf mich waren und sind“, sagt sie mit einem glücklichen Lächeln. 

Der Odissa-Charles-Verein

Zunächst gründete sie mit ihren Paderborner Freunden den Odissa-Charles-Verein, der sich in Jinja, der zweitgrößten Stadt Ugandas, engagiert. Der Verein ermöglicht beispielsweise Kindern eine Schulbildung oder unterstützt Menschen bei der Kostenübernahme von gesundheitlichen Problemen. „In Uganda sind Bildung und Gesundheit nicht frei. Das heißt, zu beiden Bereichen hat ein Großteil der Bevölkerung keinen oder nur einen geringen Zugang. Ich möchte aber Gerechtigkeit für alle Menschen und habe mir überlegt in diesen Bereichen zu helfen“, erklärt sie ihr Engagement.

 

Zurzeit hat der Verein 47 Kinder in Förderung. Diese durchlaufen die Stationen: Kindergarten, Schule und Ausbildung. „Mein Konzept geht gut auf. Im Kindergarten sind sowohl Kinder aus der Mittelschicht als auch viele ärmere Kinder. Die reicheren Kinder haben meist viel bessere Social Skills. Diese werden dann aber nach einiger Zeit meist sehr erfolgreich von den ärmeren Kindern übernommen“, führt die Paderbornerin an. „Es ist mein Lohn, zu sehen, wie ein Kind, das vorher ängstlich und verstört war, nach einiger Zeit seine Ängste verliert, man keine Unterschiede zu den anderen Kindern mehr sieht und die Kinder einfach Kinder sein dürfen.“ 

 

Das Besondere an der Schule des Odissa-Charles-Vereins sei, dass die Kinder nicht geschlagen werden. In vielen Schulen des ostafrikanischen Landes werden die Menschenrechte nicht beachtet, obwohl Uganda das Menschenrechtsabkommen unterschrieben habe. „Wenn ich so etwas mitbekomme, muss ich einschreiten, auch wenn ich mich damit in gefährliche Situationen begebe. Ich drohe dann mit dem Anwalt beziehungsweise gehe dann tatsächlich juristisch dagegen vor. Ich sehe es als meine Pflicht als Sozialarbeiterin an, etwas gegen Menschenrechtsverletzungen zu tun“, sagt sie mutig. Etwas wirklich Gefährliches sei aber zum Glück bislang nicht passiert, auch, weil Anne Grothe in Uganda gut vernetzt ist und sich selbst gut schützt.

47 Kinder und allerhand andere Verpflichtungen

Auf die Frage, warum nun gerade diese 47 Kinder gefördert werden, sagt sie schlicht: „Du kriegst ein Gespür dafür, wo Hilfe benötigt wird und wer auch bereit ist, die Förderung sinnvoll anzunehmen.“ Im Land fehle ein Stück die Moral. Es komme leider vor, dass Gelder veruntreut werden. So gebe es bei ihr kein Geld auf die Hand, denn dann sei es durchaus schon vorgekommen, dass nicht das Kind, sondern zum Beispiel der Vater von den Hilfsgeldern profitierte. Das habe, laut Anne Grothe noch mit dem Kolonialismus zu tun. Denn häufig gelte die Feststellung, dass der reiche Mann oder die reiche Frau weiß sei. 

 

Kommt ein Kind in Förderung gibt es einen Vertrag, in dem sich alle Seiten verpflichten, dass das Kind gefördert wird und niemand anderes davon profitiert. „Das ist das Schwerste bei meiner Arbeit: konsequent zu sein und Leute abzuweisen“, berichtet sie seufzend. „Denn mein Arbeitsalltag ist durchaus kein schöner“, gesteht sie ehrlich. Sie arbeitet meist von sechs bis 24 Uhr. Um sechs Uhr fängt sie mit dem administrativen Aufgaben an. Um 7.30 Uhr öffnet der Kindergarten und ab da ist es Anne Grothes Job kleinere und größere Probleme zu lösen. „Irgendwer ist immer krank, irgendjemand will mehr Geld, irgendjemand möchte einen Job, irgendjemand will sein Kind unterbringen,…“, schildert sie nur einen Teil ihrer täglichen Aufgaben. Denn sie hat 47 Kinder in Förderung.

 

Damit ist sie ebenfalls für 47 Familien zuständig, dazu kommen zehn Mitarbeiter mit ihren Familien und noch allerhand Tiere, die versorgt werden wollen. „Da ist jeder Tag ein Abenteuer. Ich bin häufig nicht körperlich, sondern eher psychisch gefordert“, berichtet sie und schluckt. Am härtesten nimmt sie ein Missbrauchsfall mit, bei dem sie dafür gesorgt hat, dass das Mädchen aus der Umgebung ihres Vaters genommen wurde. „Das war bisher das einzige Mal, dass mir dies so offensichtlich begegnet ist. Wir haben uns dann um alles gekümmert, denn zur Polizei zu gehen, ist in so einem Fall eher kontraproduktiv. Mittlerweile ist das Mädchen aber sehr glücklich und auch sehr gut in der Schule“, beschreibt sie die Situation.

 

Menschen schöpfen Hoffnung

Warum sie trotzdem den Job macht, den sie macht, möchte ich gerne wissen. Auch darauf hat sie eine ganz einfache Antwort. „In der englischen Sprache gibt es den Spruch ‚It’s my calling‘, was man auf Deutsch so ungefähr mit ‚Es ist meine Berufung‘ übersetzen würde. Wenn ich sehe, dass die ganze Gegend rund um mein Projekt profitiert und die Menschen wieder Hoffnung schöpfen, dann muss ich einfach weitermachen.“

 

Allerdings gibt sie zu, dass sie, wenn etwas Schlimmes passiert auch schon mal ins Zweifeln kommt, ob und wie lange sie das noch machen möchte. Allerdings ist es ihr aber doch zu wichtig zu helfen. Sie weiß, dass viele staatliche Entwicklungsgelder nach Uganda fließen. Allerdings versickerten diese häufig irgendwo. Bei einem privaten, vergleichsweise kleinen Projekt, wie ihrem, könne man natürlich schnelle und gute Erfolge sehen.

 

Das Projekt Birungi

Außerdem hat es sie nicht davon abgehalten ein weiteres Projekt zu gründen. Das Projekt heißt Birungi und richtet sich an Freiwillige aus Deutschland, die über dreißig Jahre alt sind, den Wunsch haben nach Afrika zu reisen und sich ehrenamtlich engagieren möchten. In Jinja lebt man dann in einem Gästehaus und kann beispielsweise im Kindergarten oder auf der Hühnerfarm mitarbeiten. Wenn man im Frühling oder Herbst kommt, wird man von Anne Grothe betreut, in den anderen Jahreszeiten von ihrer Vor-Ort-Vertretung.

 

„Das Schöne an diesem Projekt ist, dass sich jeder so viel einbringen kann, wie er möchte. Ich habe nicht vergessen, dass die Leute, die kommen, häufig ihren Urlaub dafür opfern und auch Erholung brauchen. Wer nur den nahegelegenen Victoriasee sehen, auf Safari gehen oder einfach ein Buch auf der Terrasse lesen möchte, kann dies ebenfalls gerne tun“, wirbt sie für ihr Projekt. Denn sie hat die  Erfahrung gemacht, dass die Leute dieses zwanglose Konzept mögen und immer wieder kommen. So sind für die nächste Zeit alle Freiwilligenplätze belegt. „Das macht mich sehr stolz“, sagt sie.

 

Engagement auch in Paderborn

Aber auch in den Monaten, in denen sie in Deutschland lebt, lassen sie ihre afrikanischen Projekte nicht los. So rührt sie immer wieder die Werbetrommel und hat zuletzt im Amalthea-Theater einen Vortrag gehalten. „Es ist toll, dass ich die Menschen in und um Paderborn, aber auch darüber hinaus, mit meinem Projekt erreiche und viele von ihnen Lust haben sich zu engagieren. Allerdings erkläre ich gerade den Sponsoren des Vereins, dass das eine Lebensaufgabe ist.

 

Man kann sich nicht dazu entschließen ein Kind zu fördern und dann nach einem Jahr wieder damit aufhören“, erklärt sie abschließend. Wem dieses tolle Projekt nun ebenfalls aus der Seele spricht und selbst Sponsor werden oder künftig nach Uganda reisen möchte, kann sich auf den Homepages www.odissa-charles-verein.de und www.birungi.org informieren und bewerben. Und dann heißt es vielleicht schon bald Kofferpacken und Mithelfen. Anne Grothe würde sich sicherlich freuen.

 

Autorin: Katarina Fenneker

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Nsubuga Charles (Dienstag, 03 September 2019 06:44)

    Hi am so interested in your work how can i join Uganda because I have ideas i want to share with you. Am head of world youth Alliance Uganda started up that group to defend and promote human dignity in Uganda i wish we play together . you can reach me at this email nsubugacharles88@gmail.com whatapp+256704152389