Irgendwas war da, irgendwie hat sie sich so nicht wohl gefühlt. Feline ist 27 und ein Transmensch. Vor drei Jahren hat sie endgültig mit einer Geschlechtsangleichung begonnen. Die junge Paderbornerin wusste anfangs nicht so wirklich, was sie jetzt eigentlich machen soll und wie das alles funktioniert. Vor allem wusste sie aber nicht, welche Hürden sich ihr noch in den Weg stellen würden.
Sie und die anderen
Zuallererst hat sie sich ihrer damals besten Freundin anvertraut, wie es wohl jeder machen würde. Die hat nicht so reagiert, wie Feline sich das vorgestellt hatte. Sie habe damit „kein Problem“. Ja. Damit hatte die 27-Jährige auch nicht gerechnet – sonst hätte sie sich ihr wohl kaum anvertraut. Das erhoffte „Ich unterstütze dich bei allem, was auf dich zukommt“ blieb aus.
An Weihnachten entschied sie sich, auch mit ihrer Tante und ihrem Onkel zu sprechen – zu denen hatte sie die engste familiäre Bindung. Auch die wussten nicht so ganz genau, wie sie ihr helfen sollten, gaben ihr aber den wertvollen Tipp sich an einen Therapeuten zu wenden – immerhin der erste Schritt auf dem Weg zur Geschlechtsangleichung. Sie entschied sich dazu, ihren Hausarzt anzurufen, die richtige Entscheidung wie sich herausstellen sollte. Zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, mit jemandem zu reden, der wusste wovon er sprach, jemand, der mit dem Thema Trans offen umging und ihr wirklich helfen konnte und wollte. Auch hier hieß es: Eine Therapie muss her.
Keine Therapie – keine Unterstützung der Krankenkasse
Die Krankenkasse verlangt eine Therapie. Und da gehen die Meinungen auseinander. Während die Einen sagen, es sei eine gute Sache, schließlich ist eine Angleichung ein unumkehrbarer Schritt, ist es für Betroffene ein Spiel auf Zeit. Je später eine Psychotherapie, und somit auch eine Hormonbehandlung, beginnt, desto weiter ist der Körper entwickelt, desto mehr muss mithilfe von weiblichen oder männlichen Hormonen umgekehrt werden. Feline hat nach drei Monaten die erste Therapiesitzung gehabt – und die war nichts. Nicht alle Psychologen kennen sich mit dieser Art der Therapie aus, das musste sie am eigenen Leib feststellen. Erst der zweite Psychologe hat das Problem direkt auf den Punkt gebracht: Für ihn war klar, dass eine Geschlechtsangleichung aufgrund des gesellschaftlichen Drucks gerechtfertigt ist. Knapp ein Jahr Therapie ist die Krankenkassen-Richtlinie, erst danach wird eine Hormontherapie abgesegnet. Psychologen haben da allerdings auch einen gewissen Spielraum: Das Go für die Therapie bekam Feline nach acht Monaten, mit Östrogen und Testosteron-Blockern hat sie nach elf Monaten begonnen.
Ein bisschen, wie eine zweite Pubertät
Natürlich geht auch eine Hormontherapie nicht einfach so. Feline musste erst, wie jeder Transmensch, zu einem Endokrinologen. Theoretisch können nämlich auch körperliche Eigenschaften gegen eine Hormontherapie sprechen. Und auch die Nebenwirkungen können sich sehen lassen. Erhöhtes
Herzinfarktrisiko, Bluthochdruck. Feline hatte allerdings Glück. Anfangs fühlte sie sich zwar müde, viel mehr war es dann aber auch nicht. Allerdings vergleicht sie den Anfang ihrer Hormontherapie mit einer zweiten Pubertät, alles werde „irgendwie neu verkabelt“. Neben den Hormontabletten, nimmt sie noch Testosteronblocker. Die können zwar nach der OP abgesetzt werden, die Hormone muss sie aber ihr ganzes Leben lang schlucken. Denn auch nach der Operation wird ihr Körper nicht in der Lage sein, weibliche Hormone eigenständig zu produzieren. Das heißt auch: Arztbesuche für den Rest ihres Lebens, denn da sind auch Leberschädigungen nicht ausgeschlossen.
Feline heißt sie erst, wenn die Angleichung abgeschlossen ist
Aktuell steht in ihrem offiziellen Ausweis noch nicht Feline, sondern ihr dead name, das heißt der Name, der ihr bei ihrer Geburt gegeben wurde. Biologisch ist sie noch keine Frau und wird somit auch vor dem Gesetz noch als Mann angesehen. Das ändert sich laut des Transsexuellengesetzes, wenn eine Person entweder drei Jahre lang unter sozialem Druck leidet und es somit nicht für sie tragbar ist, weiter ihr biologisches Geschlecht in der Öffentlichkeit zu tragen. Dann kann zumindest der gewählte Name im Ausweis eingetragen werden. Selbstverständlich werden Geschlecht und Name geändert, sobald die Angleichung auch biologisch abgeschlossen ist. Bis dahin hat Feline einen Ergänzungsausweis. Der ist auch staatlich anerkannt, sie kann ihn deshalb zusätzlich zu ihrem Personalausweis nutzen, damit sie sich auch richtig ausweisen kann.
Feline ist aktuell in den letzten Zügen ihres Master-Studiums an der Uni in Paderborn. Und auch da ist das mit dem Namen nicht wirklich einfach. Im Studentenausweis steht nur der Name, der auch im System gespeichert ist, also der, der auch im Personalausweis steht. Für Feline heißt das auch hier, dass sie ihren aktuellen Namen nicht eintragen lassen kann. Zumindest, solange die Uni ihr Einverständnis nicht gibt. Die könnte, laut Uni-Mitarbeitern, nämlich theoretisch auch einen Namen nutzen, der anders ist als der im System – dazu müsste das nur von der Verwaltung genehmigt werden.
Goodbye Deutschland?
Um die Geschlechtsangleichung abzuschließen, fehlt Feline nach Psycho- und Hormontherapie jetzt nur noch die angleichende Operation. Das ist im besten Fall eine – wenn alles nach Plan läuft. Denn auch hier kann es natürlich zu Komplikationen kommen. Unter anderem, weil nicht alle Chirurgen auf Geschlechtsoperationen spezialisiert sind. In ganz Deutschland gibt es zwar Mediziner, die die OP durchführen, echte Spezialisten sind aber rar. Feline hat erst Anfang des nächsten Jahres einen Termin beim Chirurgen. Los geht es dann noch immer nicht, sie muss auch dann mit einer extremen Wartezeit rechnen.
Nach dem Studium möchte sie Deutschland eigentlich am liebsten verlassen. Wirklich unterstützt und akzeptiert fühlt sie sich hier nämlich nicht von allen Seiten. Viele ihrer Freundschaften finden nur online statt, vielleicht auch weil sie sich da sicherer fühlt.
Autorin: Julia Kleinekemper
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Hannah (Mittwoch, 03 Oktober 2018 00:18)
toller Beitrag! sehr interessant :)