Aus Andalusien in die Paderborner Sparkasse

Wir treffen uns zwischen Oliven, patatas bravas und Aioli mit Brot. Im Hintergrund erklingen sanfte spanische Klänge, die uns mitwippen lassen. „Hola, ¿qué tal?“, frage ich, aber Vanessa Pavia winkt ab. Sie liebt zwar ihre Heimat, das spanische Dörfchen Ubrique in der andalusischen Provinz Cadiz, wo sie aufgewachsen ist, über alles, sagt aber, dass es für sie das Wichtigste sei, sich in Deutschland voll und ganz zu integrieren.

Vor dreieinhalb Jahren kam sie aus Spanien nach Paderborn. „Warum?“, frage ich. „Na ja, es war zur Zeit der Wirtschaftskrise in Spanien“, erklärt Vanessa. „Ich hatte keine Möglichkeit eine sinnvolle Ausbildung in Spanien zu machen. Da brachte mir meine Cousine ein Angebot mit, das sie über eine Freundin bekommen hatte.“ Hier wurden im Zuge des EU-Freizügigkeitsgesetzes mutige Spanierinnen und Spanier gesucht, die Interesse hatten für eine Ausbildung nach Deutschland zu gehen. Hierüber kam der Kontakt zur Sparkasse Paderborn-Detmold zustande, die für August 2014 eine Auszubildende als Bankkauffrau suchte. Kurzerhand entschied sich die damals 22-Jährige, dass dies ein vernünftiger Schritt sei. „Und dann bin ich einfach nach Deutschland gekommen“, sagt sie lächelnd, als wäre dies das Selbstverständlichste der Welt und hätte nichts mit Mut und Zweifeln zu tun.

Am Anfang konnte sie nur wenig Deutsch. Sie erinnert sich, dass sich ihre deutschen Sprachkenntnisse zum größten Teil aus drei Sätzen, nämlich „Hallo, ich bin Vanessa. Ich komme aus Spanien. Ich bin 22 Jahre alt.“ beschränkten. Mittlerweile spricht sie sehr gutes Deutsch. Verstehen und Lesen sind aber deutlich besser. Manchmal, wenn sie allein zu Hause ist und sich über etwas wundert, denkt sie laut Dinge wie „Meine Güte, was ist denn das?“, und wundert sich dann wiederum, dass das auf Deutsch war. Trotzdem hat die mutige Spanierin aufgrund von Sprachdefiziten immer noch ein bisschen Angst vor großen Gruppen zu sprechen. Der Auftritt bei den „Wilden Mädels aus der Nachbarschaft“ im Jahr 2015 war darum eine echte Herausforderung für sie.

„Wie war das für deine Familie, dass du weggegangen bist?“, frage ich. „Für Mama war es sehr schwer“, sagt Vanessa und schaut aus dem Fenster. Wenn das Heimweh aber einmal zu groß wird, fliegt sie nach Hause zu ihrer Familie. Das leistet sie sich meist zweimal im Jahr. Im Sommer vergangenen Jahres ist sie in Deutschland bei 14 Grad losgeflogen und kam bei 40 Grad in Spanien an. Das war selbst ihr ein bisschen heiß. Sie liebt die Landschaft in ihrem Heimatdorf, das von Bergen umschlossen ist. Trotzdem ist auch das Meer nicht weit entfernt und wenn man am Strand ist, kann man Afrika sehen.

 

Zwischen Heimat und Sehnsucht

 

Ihre Wahlheimat Paderborn hat ihre Familie nun auch schon erkundet. So kamen ihre Mutter, ihr Bruder und ihre Schwester zum Weihnachtsmarkt zu Besuch. Sie waren begeistert von der Atmosphäre rund um den Dom und den Bratwürstchen. „Glühwein war jedoch nichts für meine Mutter“, lacht Vanessa.

 

„Was war denn das Schwierigste, als du nach Paderborn kamst“, möchte ich wissen. „Ich musste zuerst lernen alleine zu sein. Schließlich komme ich aus einer Großfamilie. Ich habe acht Geschwister. Alle aus meiner Familie wohnen irgendwie nebeneinander“, lächelt sie. So ist es bei ihr zu Hause üblich, dass man gemeinsam isst, dass man einfach mal bei dem einen oder anderen vorbeigeht und dass es eigentlich schwierig ist, Zeit für sich zu haben. „In Deutschland macht man immer Termine. Das musste ich auch erst lernen. Wobei ich es auch verstehe. Es macht ja auch keinen Sinn, zum Beispiel spontan zu den Eltern meines Freundes nach Marienloh zu fahren und dann ist nachher keiner zu Hause“, sagt sie und lacht.      

Überhaupt hat sie sich an deutsche Gewohnheiten sehr gut angepasst und isst nun in ihrer Mittagspause zu Mittag und spätestens um 19 Uhr zu Abend. „Das wäre in Spanien nie möglich“, erklärt sie. „Da isst man immer deutlich später.“ Allerdings macht ihr das trübe Januarwetter deutlich zu schaffen. „Hier ist es schrecklich kalt und so früh dunkel. Ich freue mich sehr auf den Frühling, dann kann ich endlich wieder im Paderquellgebiet sitzen und die Leute beobachten“, erklärt sie.

 

Leider hat sie zu Freizeitaktivitäten meistens nicht viel Zeit, da sie bei ihrer Ausbildung bei der Sparkasse ganz schön gefordert wird. Überhaupt wirkt sie in dieser Hinsicht sehr diszipliniert und sehr deutsch. „Ich muss mich manchmal richtig zwingen, nicht nur zu lernen, sondern auch das Leben zu genießen“, sagt die heute 26-Jährige. „Am Anfang war ich mit  dem ganzen Leistungsdruck auch ziemlich überfordert. Morgens war ich bei der Sparkasse, nachmittags musste ich zum Sprachkurs und abends habe ich gelernt“, weiß sie zu berichten. „Ich habe nichts verstanden und sollte alles genauso machen wie die deutschen Mit-Azubis.“ Da Vanessa die erste Spanierin im Ausbildungsprogramm der Sparkasse und auch in der Berufsschule war, fühlte sie sich ab und zu wie ein Versuchskaninchen. „Die Lehrer wussten manchmal nichts mit mir anzufangen.“ Jedoch haben ihr viele Menschen geholfen. Zum Beispiel ihre Kolleginnen und Kollegen in der Sparkasse. So wurde Vanessa von ihnen neben der deutschen Sprache, auch in deutscher Kultur und deutscher Geschichte unterrichtet. „Das war immer lustig und sehr nett“, schmunzelt sie.    

Seit anderthalb Jahren hat Vanessa einen Freund, mit dem sie auch zusammen wohnt. Seitdem erscheint ihr alles besser und sie fühlt sich nicht mehr so alleine. Praktischerweise hat er auch eine Ausbildung als Bankkaufmann gemacht und war, laut ihr, der beste in seinem Jahrgang. Er hilft ihr jetzt bei den Vorbereitungen auf die Abschlussprüfungen im April 2018. „Es ist schon ein bisschen komisch. Ich fühle mich meistens als Schlechteste in meinem Jahrgang und jetzt habe ich mir den Besten geangelt“, witzelt sie. Trotzdem wird sie es nicht müde zu betonen, dass sie eine ganz normale Ausbildung macht und dass sie keinerlei Vereinfachungen erhalten hat. Stolz kann sie auch sein, denn es ist schon äußerst bemerkenswert, dass sie, obwohl sie mit so vielen kulturellen und sprachlichen Hürden zu kämpfen hatte, nun bald ihre Ausbildung mit Erfolg beenden kann.

 

„Was hat dir denn am meisten Spaß während der Ausbildung gemacht?“, frage ich. Vanessa antwortet, dass sie vor allem den Kundenkontakt mag. Sie hatte überhaupt keine Schwierigkeiten die Kunden zu beraten. „Häufig haben die Kunden sich gefreut, wenn sie gemerkt haben, dass ich mich bemühe gutes Deutsch zu sprechen. Da verzeihen sie einem auch sprachliche Fehler“, erklärt sie fröhlich. „Außerdem waren sie meist sehr verständnisvoll, wenn ich nicht immer die passenden Worte fand.“

 

Neue Heimat: Paderborn?

 

„Was möchtest du denn machen, wenn du im April mit deiner Ausbildung fertig bist“, will ich noch wissen. „Na ja, erst war es immer mein Plan nach Spanien zurückzugehen“, antwortet sie. „Dort wäre es vielleicht möglich, in einem Ort zu arbeiten, wo viele Deutsche leben. Dann gibt es nämlich auch deutsche Banken und da wäre ich dann ja perfekt aufgehoben.“ Nun haben sich ihre Pläne allerdings geändert. Sie möchte gerne bei ihrem Freund bleiben und wird sich nach Möglichkeit in Paderborn einen Job suchen. Ob sie vielleicht sogar bei der Sparkasse bleiben kann, ist allerdings noch ungewiss. „Zurzeit gibt es eine Umstrukturierung in Folge von der Digitalisierung“, weiß sie zu berichten. Somit ist auch noch nicht klar, ob die Spanierin als Arbeitskraft gebraucht wird. Fest steht jedenfalls, dass sie weiterhin den Kundenkontakt haben möchte und nicht nur im Büro sitzen will.

„Ich fühle mich wohl in Deutschland und freue mich, wenn ich hier eine Arbeit finde“, schließt sie unser Gespräch.

 

Autorin: Katarina Fenneker

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